Zum 100. Geburtstag von Loriot - Meister der Möpse und Wortungetüme
Quelle: dpa/Cordula Dieckmann & Monika Wendel
Fragt man Leute nach Loriot, haben fast alle etwas zu erzählen. Die Badeente, die Nudel im Gesicht, das Lametta am Weihnachtsbaum - Vicco von Bülows Sketche sind Teil des deutschen Selbstverständnisses. Nun wird er groß gefeiert, wieder einmal.
München (dpa) - "Das ist ja wie bei Loriot!" - ein Satz, der gerne mal fällt, wenn Alltagssituationen absurd und komisch sind. Man denke an Ehe-Szenen im Kampf um das perfekte Frühstücksei oder an die Tücken beim Kauf eines Anzugs, die Vicco von Bülow in seinen Sketchen wunderbar aufgespießt hat. Im Banalsten entdeckte der Humorist, Schauspieler und Karikaturist das Skurrile und Komische und hielt den Menschen den Spiegel vor, mit all der Kleinkariertheit und Eitelkeit, ihren Peinlichkeiten. "Er ertappt die Deutschen halt immer wieder in ihrer gespielten Weltläufigkeit und am Ende sind sie doch irgendwie alle spießig", erinnert sich der Komiker Hape Kerkeling an Loriot, der heute 100 Jahre alt geworden wäre, wenn er nicht 2011 in seinem Wohnort am Starnberger See gestorben wäre.
Ganze Generationen wuchsen mit den Knollennasen-Karikaturen, den Sketchen und Filmen auf, in denen neben Loriot oft die kongeniale Evelyn Hamann mitspielte, meist für Radio Bremen. Viele Sätze wurden zum geflügelten Wort wie "Früher war mehr Lametta", "Ein Klavier, ein Klavier" oder "Ich lasse mir doch von einem Fernsehgerät nicht vorschreiben, wo ich hinsehen soll." Und erst die Namen, die fast Kultcharakter haben: Dr. Klöbner und Herr Müller-Lüdenscheidt in der Badewanne ("Die Ente bleibt draußen") oder Erwin Lindemann, der mit seinem Lotto-Gewinn in Wuppertal eine Herrenboutique eröffnen will.
"Loriot war der gemeinsame Nenner, auf den sich ganz selbstverständlich alle einigen konnten", schreibt der Komiker Otto Waalkes im Buch "Er lebe hoch! Loriot zum 100. Geburtstag". "Loriots Komik war durchaus deutsch, aber nicht treudeutsch. Sie basiert auf seiner Beobachtung der deutschen Gesellschaft seiner Zeit, ihren Sitten und Gebrechen." Und das in der Bundesrepublik ebenso wie in der DDR: Es sei ihm wichtig gewesen, in beiden Teilen Deutschlands zu sein, stellt der Germanist Stefan Neumann in der Doku "Loriot 100" fest.
Doch warum findet man das so komisch? Für die Lach-Trainerin Cornelia Leisch ist es unter anderem das konsequente Aneinandervorbeireden. Und der Wunsch, Haltung zu bewahren, während ringsum das Chaos ausbricht. "Wir lassen uns nichts anmerken, das Erscheinungsbild muss immer gut sein", sagt die Münchnerin. Denn: Was sollen die Leute denken? "Er lüpft ein bisschen den Teppich und zeigt, was wir darunterkehren und worüber wir nicht reden wollen."
Egal ob bei Hoppenstedts unterm Weihnachtsbaum, bei den Steinläusen oder im Konzertsaal - ein nostalgischer Charme der 1970er und 1980er Jahre weht durch von Bülows umfangreiches Werk im Fernsehen, im Kino, in Zeitschriften oder in Büchern, das mit unzähligen Preisen gekrönt wurde. Wortungetüme verwandelt er in Alltagspoesie, etwa wenn der beflissene Verkäufer im Bettenladen die Kunden fragt: "Haben Sie da an eine Schlafsitzgarnitur gedacht mit versenkbaren Rückenpolstern, eine Couchdrehkombination oder das klassische Horizontalensemble?". Die hilflose Antwort des Ehemannes: "Wir schlafen im Liegen".
Ganz oft widmet sich Loriot dem Verhältnis zwischen Mann und Frau. Seine Paare sind nach langen Jahren wohl mehr aus Gewohnheit, denn aus Liebe zusammen. Aus harmlosen Missverständnissen entzünden sich bizarre Streits. Die Ehe könne gar nicht negativer geschildert werden, befand der Komiker selbst in einem Fernsehinterview. "Dass es komisch ist, macht es nicht besser, nur genießbarer."
Seine eigene Ehe mit seiner Jugendliebe Rose-Marie Schlumborn hielt Jahrzehnte. Zwei Töchter gingen daraus hervor. Erst lebte die Familie in Berlin, später in einer Villa am Starnberger See. Die Wurzeln des Humoristen lagen aber in Brandenburg an der Havel. Hier wurde er 1923 als Sproß eines preußisch-mecklenburgischen Adelsgeschlechts geboren, zog aber bald darauf zu seiner Großmutter nach Berlin, wo er 2011 auch begraben wurde. 1941 wurde von Bülow Soldat und kämpfte unter anderem in Russland. Seine einschneidendste Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg: "Die spätere beschämende Erkenntnis, das Grauen des Krieges hingenommen und eingeordnet zu haben".
Wie soll man so einem Humorkünstler zu seinem runden Geburtstag bloß huldigen, der obendrein auch noch Opern inszenierte? Eine Frage, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beschäftigt, der als Bundestagsabgeordneter seinen Wahlkreis in Brandenburg hatte. "Wer Loriot ehren will, kommt sich irgendwie immer vor, als wolle er, eifrig bemüht und ehrlich empfunden, etwas Würdevolles sagen, habe dabei aber eine Nudel auf der Nase", spielt Steinmeier auf das Zitat "Hildegard, bitte sagen Sie jetzt nichts!" aus dem Klassiker "Die Nudel" an. Ein konventionelles Denkmal - Loriot auf einem Podest - sei nicht infrage gekommen.
Stattdessen wurden in seiner Geburtsstadt mehrere Bronzeskulpturen errichtet: 25 gehörnte Waldmöpse nach einer Kunstfigur, die von Bülow für einen Sketch ersonnen hat. Sie stehen am Havelufer, auf Wiesen und an seiner Taufkirche. "Ich bin mir sicher: Loriot wäre glücklich darüber, dass seine Heimatstadt Brandenburg nun zum einzigen Waldmopsbiotop der Welt geworden ist", glaubt Steinmeier. Schließlich war der Mops das Lieblingstier von Vicco von Bülow, getreu seinem Zitat: "Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos."