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Bayerns schaurigste Nächte: Die Bräuche zwischen den Jahren

Lesedauer 3 Minuten
Quelle: dpa/lby
23.12.2024

Wilde und gehörnte Gestalten ziehen in den Nächten lärmend durch Straßen. Beschienen werden sie von Fackeln und Feuerschein. In den Stuben üben sich die Bewohner in der Kunst des Weissagens. Gegen böse Geister räuchern sie ihre Häuser aus. 

Was im ersten Moment nach einem düsteren Fantasy-Roman klingt, ist in vielen bayerischen Gemeinden Realität - zumindest in den Rauhnächten. So werden mancherorts die Nächte zwischen dem Heiligen Abend und dem Dreikönigstag genannt. Um sie ranken sich zahlreiche alte Bräuche, von denen sich einige bis heute gehalten haben. 

Wetterprognose mit Zwiebeln 

«Etwa der Brauch mit Hilfe von Zwiebeln das Wetter vorherzusagen», sagt Christoph Lang, Heimatpfleger beim Bezirk Schwaben in Augsburg. Das funktioniere so: Menschen halbieren eine Zwiebel und heben aus jeder Hälfte fünf Schichten heraus. «So entstehen zwölf Teile, die für je einen Monat des kommenden Jahres stehen. Sie werden mit Salz betreut», beschreibt Lang. 

Je nasser sie nach einiger Wartezeit sind, desto nasser der entsprechende Monat, so der Volksglaube. «Der Brauch wird seit dem 19. Jahrhundert in ganz Schwaben und mehrfach erwähnt», sagt Lang. 

Räuchern mit Weihrauch oder Kräutern

Auch das Räuchern der Häuser in den Rauhnächten hat sich mancherorts bis heute gehalten. Es sei in Schwaben seit dem 17. Jahrhundert belegt und gerade in den Vornächten zu Heiligen Nacht, in der Silvesternacht und in der Heilig-Drei-König-Nacht verbreitet. Weihrauch auf einem Kohlebett oder geweihte Kräuterboschen - also Bündel - sollen so bis heute den Segen ins Haus bringen. 

Die furchteinflößenden Perchten, die zwischen den Jahren im Alpenraum und im Bayerischen Wald nachts umherziehen, sind ebenfalls nach wie vor angesagt. Bei zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen ziehen die gruseligen Gestalten bei Umzügen viele Besucher an. Sie sollen böse Geister und Unheil vertreiben. 

Suche nach Sicherheit

Warum gerade die Nächte zwischen den Jahren zur Zeit dieser und vieler bereits vergessener Bräuche wurde, weiß Michael Ritter vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege. «Es liegt an der Diskrepanz zwischen dem Mond- und dem Sonnenkalender», sagt der Experte des Fachbereichs Brauch.

Dadurch ergebe sich eine Übergangszeit, eine Art Zwischenraum, der Menschen nicht ganz geheuer gewesen sei. «Und Bräuche bieten in einer Umbruchszeit Sicherheit», erklärt Ritter. Das galt gerade in jenen Zeiten, als viele Menschen von dem lebten, was die Natur ihnen geben konnte, und damit von ihr abhängig waren. 

«Heute hingegen ist der Hintergrund oft ein anderer», sagt Ritter. Angst vor Unheil spiele viel weniger eine Rolle als Traditionsbewusstsein. Auch das Bedürfnis sich in einer säkularisierten Welt kulturell zu verorten, sei ein Antrieb der Bräuche zwischen den Jahren. «Früher hat das die Kirche geboten», sagt Ritter. 

Regionale Unterschiede

Im Ganzen betrachtet seien die Rauhnächte oder Lostage, wie sie laut Lang in alten Dokumenten heißen, schwer zu greifen. «Über kaum ein Thema wissen wir so wenig, weil oft Quellen fehlen», sagt Ritter. Außerdem seien die Bräuche regional sehr unterschiedlich. 

Ein Beispiel: Wann und wie Wäsche aufgehängt werden darf, ohne dass sich böse Geister darin verfangen, ist im bayerischen Volksglauben nicht überall gleich. Selbst der Zeitpunkt der Rauhnächte ist strittig: Mancherorts beginnen sie früher und enden schon in der Silvesternacht. 

Eines aber scheint sicher. «Die Bräuche rund um die zwölf Nächte sind nicht auszumerzen. Das hat man schon im 18. Jahrhundert versucht», sagt Ritter. «Sie wirken wohl den Urängsten der Menschen entgegen.»

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